Der Muttersberg – Sonnenbalkon auf 1401 m – ist ein beliebtes Ausflugsziel für Groß und Klein. Mit der Seilbahn gelangt man in sieben Minuten zur Bergstation und kann die atemberaubende Bergkulisse und die abwechslungsreichen Tourenmöglichkeiten genießen.
Aber warum heißt dieser Berg Muttersberg? Wie kam es zur Idee der Seilbahn? Lesen Sie hier die ganze Geschichte inklusive Interview mit Johann Bandl, dem heutigen Geschäftsführer der Seilbahn sowie des Alpengasthofes.
Bereits um Christi Geburt, als die Römer in Vorarlberg siedelten, wurden die Wälder am Madeisakopf (umgangssprachlich Muttersberg) gerodet und als Viehweiden genutzt. Dauerhaft besiedelt wurde der Muttersberg jedoch erst später durch die Walser, welche im 14. Jahrhundert nach Vorarlberg kamen. Das Volk siedelte anfangs in Laterns und gelang über das Furkajoch nach Damüls. Über den Faschinapass kamen sie in das Große Walsertal, aus welchem sie über den Tiefenseesattel schließlich den Muttersberg erreichten. Aufgrund der hohen Lage mussten die damaligen Walser Bauern auf die Anpflanzung von Getreide verzichten und lebten somit vorwiegend von Kartoffeln, Milch, Käse und Fleisch.
Für die Heuwirtschaft in diesen hohen Lagen waren viele Arbeitskräfte erforderlich, weshalb die Familien meist sehr kinderreich waren. Nachdem das Gras gemäht und getrocknet war, wurde es zu sogenannten „Burden“ gebunden, welche die Bauern auf dem Kopf und Rücken in die Ställe transportierten. Diese Art der Heuwirtschaft ist traditionell für die entlegenen Bergbauernhöfe in Vorarlberg. In Anbetracht dessen, dass eine Burde etwa 50 Kilogramm wog und pro Person und Tag etwa 20 Stück davon getragen wurden, kann man sich vorstellen, wie schwerfällig die Heuarbeit am Muttersberg war.
Doch das Leben gestaltete sich besonders aufgrund der enormen Höhenlage und der Abgeschiedenheit schwierig, denn im Winter oder nach schlechtem Wetter war der einstündige Fußweg ins Tal oft unpassierbar. Die schwierigen Lebensumstände waren ein Grund, warum die Höfe am Muttersberg häufig ihre Besitzer wechselten. Die ersten Höfe gehörten zwei Angehörigen der Walser Familie „Muther“. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es nachweislich mindestens vier Höfe, die im Besitz von Walsern mit dem Namen „Muther“ waren. Vermutlich gelangte die Siedlung am Madeisakopf auf diese Weise zu seinem heutigen Namen „Muttersberg“.
Ab ca. 1900 wurden die meisten dauerhaft besiedelten Höfe auf dem Muttersberg nacheinander aufgegeben, den letzten „Muttersberger“ zog es im Jahre 1969 ins Tal. Als Naherholungs- und Feriengebiet war der Muttersberg allerdings nach wie vor beliebt, dafür wurden im Laufe der Zeit immer mehr Infrastrukturen geschaffen. Zeitweise gab es auch einen Schlepplift auf den Gipfel des Hohen Fraßens, dieser wurde in den 70ern allerdings wieder geschlossen. Heute erreicht man die Fraßenhütte in einem etwa einstündigen Fußmarsch ab der Bergstation der Muttersbergbahn. Die Ursprünge der Fraßenhütte reichen bis Christi Geburt zurück. Bereits damals gab es dort nachweislich eine Schutzhütte für Hirten und Kühe. Die Hütte kam 1880 in den Besitz von wohlhabenden Fabrikantenbrüdern, welche Gründungsmitglieder des Vorarlberger Alpenvereins und somit an der Förderung des Bergtourismus interessiert waren. Sie bauten die Hütte großzügig um und betrieben eine Verpflegungs- und Unterkunftsstation. Nach dem Tod der Brüder kam die Hütte im Jahre 1927 in den Besitz des Alpenvereins Sektion Bludenz. In den 1980er wurde die Hütte gänzlich neu gebaut. Die Fraßenhütte ist auch heute noch ein beliebtes Ziel für Wanderer am Muttersberg.
Weiters sehr beliebt ist eine Wandertour zur Alpe Els. Der Name dieser geht auf die rätoromanische Sprache zurück – es handelt sich somit ebenfalls um eine sehr alte Alpe. 1940 wurde die Alpe großzügig umgebaut, heute wird sie bewirtschaftet – frische Alpprodukte können verkostet werden.
Zeitweise gab es auf dem Muttersberg auch ein Hotel, welches 1981 aufgrund fehlender Touristen wieder geschlossen und in ein Appartementhaus umgewandelt wurde. Ursprünglich war es 1926 als Ferienhaus für Zugbeförderungspersonal errichtet worden, da der Sohn des Grundbesitzers Landtagspräsident der ÖBB-Lokführer war.
Nach dem zweiten Weltkrieg wollte man die Fremdenverkehrswirtschaft in Vorarlberg ankurbeln und Touristen sowie Einheimischen den Zugang auf den Muttersberg erleichtern – die Idee für den Bau einer Personenseilbahn war geboren.
Die Bahn wurde 1955 erbaut und 1956 im Rahmen eines großen Volksfestes feierlich eröffnet. Sie galt als Meisterleistung des alpinen Seilbahnbaus und war mit der damals modernsten Technik ausgestattet. Kurz darauf wurde das „Madeisa-Stüble“ errichtet, eine Jausestation für die Bahngäste, direkt neben der Bergstation. Anfangs wurden ausgesprochen gute Frequenzen für die Seilbahn prognostiziert, diese konnten allerdings bei weitem nicht erreicht werden, da der Trend damals in Richtung Bade- und Strandurlaub ging. Im Jahre 1970 wurde überlegt, die Muttersbergbahn stillzulegen, doch die Gemeinde Nüziders und die Stadt Bludenz trugen viele finanzielle Mittel bei, um die Seilbahn am Laufen zu halten. Gottseidank!
1992 gab es eine erste Erneuerung der Seilbahn, sie wurde mit modernster Elektronik und neuen Panoramagondeln ausgestattet. Doch bereits 1999 wurde festgestellt, dass auch die Tragseile erneuert werden müssen. Die Verluste waren in den Jahren noch weiter angewachsen und deshalb waren die Stadt Bludenz und die Gemeinde Nüziders gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Schließlich wurde die Muttersbergbahn im Jahre 2001 an die Nova Bergbahngesellschaft unter bestimmten Auflagen verkauft. Die Nova Bergbahngesellschaft musste die Seilbahn komplett erneuern sowie ein großes Panorama-Bergrestaurant (Alpengasthof Muttersberg) erbauen. Die Silvretta-Nova Bergbahnen-Gesellschaft übernahm schließlich die Betriebsgarantie. Etwa zehn Jahre später entschieden sie jedoch den Ausstieg aus dem Muttersberg. Die Geschichte des „Ökonomischen Sorgenkindes“ ging weiter…
Es gelang schließlich Käufer für die Muttersbergbahn zu finden. Die Liebe der Einheimischen zum Muttersberg wurde hier erneut deutlich, denn die Muttersbergbahn kam in Privatbesitz von vier Bludenzer und Nüziger Bürgern. Einer von ihnen ist der heutige Teilhaber und operative Geschäftsleiter Johann Bandl, der Interessantes über „seinen“ Muttersberg zu erzählen weiß…
Kurz bevor Johann Bandl mit den Vorbereitungen des Mittagsgeschäfts im Alpengasthof Muttersberg beginnen muss, erwische ich ihn noch für ein kurzes Interview und erfahre interessante Details über die Geschäftsführung am Muttersberg.
Johann „Hansi“ Bandl ist seit 1. Juli 2012 Teilhaber und operativer Geschäftsleiter der Muttersberg Seilbahn und Gastronomie GmbH. Neugierig frage ich, welche Arbeiten beim Betrieb einer solchen Seilbahn regelmäßig anstehen. „Sicherheit steht immer vor Wirtschaftlichkeit!“, betont Hansi im Gespräch. Doch welche sicherheitsrelevanten Abläufe gibt es bei der Muttersbergbahn? Neben der jährlichen Revision inspizieren die Mitarbeiter täglich die Gondeln, die Bremsen und die optimale Funktion der Seile. Bei der sogenannten Seilsichtung wird die Seilbahn ganz langsam gefahren und mehrere Personen kontrollieren, ob alles einwandfrei läuft. Die Mitarbeiter der Seilbahn sowie des Gastronomiebetriebes müssen jährlich an Feuerluft-, Tagrettungs-, Rot-Kreuz- sowie Bergrettungsübungen teilnehmen. Dort wird zum Beispiel das Abseilen aus den Gondeln im Notfall geübt. Ein luftiges Unterfangen! Durch die jährliche Auffrischung sind alle Mitarbeiter dahingehend geschult, schnell und richtig zu handeln, wenn eine Notsituation eintritt. Die Kabinen werden jeden Tag von der Garage in die Seile gehängt sowie am Abend wieder „aufgeräumt“. „Bei der Seilbahn habe ich einen Betriebsleiter, der mir 90% der Arbeit abnimmt, in den Gastronomiebetrieb bin ich voll involviert“, erzählt Hansi.
Doch auch er bleibt von den ökonomischen Sorgen, welche bereits seine Vorgänger plagten, nicht verschont. „Bereits 2013 wollte man die Seilbahn wieder einstellen – das weiß nur keiner.“, schmunzelt Hansi, „Die Fahrten wurden schon gesteigert, es geht in die richtige Richtung, aber es ist immer eine Gratwanderung am Muttersberg.“. Trotz der Schwierigkeiten scheint der Erhalt der Muttersbergbahn und des Alpengasthofes ein wichtiges Anliegen in der Bevölkerung zu sein. Die Betreiber sehen sich auch als Verantwortliche gegenüber der Region, denn der Muttersberg ist besonders für die Einheimischen ein wichtiges Naherholungsgebiet. „Wir haben 80% einheimische Gäste am Muttersberg. Die Bahn wird im Oktober 66 Jahre alt – bereits seit jeher war der Muttersberg ein beliebtes Ausflugsziel für die Bevölkerung.“, erklärt Hansi, „Unsere Hauptsaison läuft eigentlich von August bis September. Aktuell sind wir im Wochenendbetrieb, weil es sich unter der Woche wirtschaftlich nicht lohnen würde. Ich möchte auch besonders meinen Stammgästen und den Menschen, die immer wieder an den Muttersberg kommen möchten, wenigstens am Wochenende die Gelegenheit dazu bieten. Wenn wir geschlossen haben, merken wir schon, dass immer wieder Leute anrufen.“
Der Muttersberg ist nach wie vor ein ökonomisches Sorgenkind geblieben, doch die Liebe zum Muttersberg in der Bevölkerung ist so groß, dass die Seilbahn nun schon seit fast 66 Jahren mitgetragen wird – und das wird hoffentlich auch so bleiben, damit noch viele glückliche Augen die atemberaubende Aussicht vom Muttersberg in die umliegende Bergkulisse genießen können.
Quellen:
www.muttersberg.at; Zech, O., Concin, J., & Bußjäger, P. (2003). Muttersberg Laz: die Bergparzellen von Nüziders und der Bergbau bei Bludenz. Geschichtsverein Region Bludenz. Interview mit Johann Bandl
Kurzen Augenblick
Wir bereiten den Inhalt vor...