‚Regionalität heißt für mich im Umkreis von 200 km‘
Hannes Durnwalder von der Spezerei in Brand kennt mittlerweile jeder im Tal. Obwohl der aus Südtirol zugezogene Weinkenner gar kein Brandnertaler ist, fühlt er sich dort äußerst heimisch. Doch wie kam es, dass er sich ausgerechnet in das wilde Brandnertal verliebte? Das erfahre ich im Gespräch mit Hannes – ein Interview zwischen zwei Südtirolern, die es beide nach Vorarlberg zog.
Nach seinem Studium der Landwirtschaft mit Spezialisierung auf Weinbau in Wien kehrte Hannes nach Kaltern in Südtirol zurück, wo er die Geschäftsführung der Erste & Neue Kellerei übernahm. Einen Weinliebhaber wie Hannes würde man wohl nicht im schroffen und hochgelegenen Brand erwarten, wo Weinreben vermutlich nur spärlich gedeihen. Doch was könnte einen Mann aus dem mediterranen Südtirol eher in das hinterste Brandnertal locken, als die Liebe? Im Rahmen seiner Arbeit kam Hannes das erste Mal bei einer Weinverkostung im Brandner Hof in das Tal, bei der er primär nicht über die Ortschaft, sondern vielmehr über eine seiner Einwohnerinnen schwärmte.
Vor fast genau 14 Jahren – Ende März – startete Hannes in Südtirol bei 25°C nach Brand, wo er von leicht rieselnden Schneeflocken überrascht wurde. „Die Straße wurde immer enger, es begann zu schneien – wo fahre ich da schon wieder hin?“, fragte sich Hannes. Doch die Strapazen haben sich offensichtlich gelohnt, denn heute – 14 Jahre später – lebt Hannes mit seiner Familie glücklich im Brandnertal und betreibt dort mit seiner Frau zwei Betriebe. Auch wenn das Klima in Brand nicht sehr südtirolerfreundlich sei, fühle er sich wohl: „Im Brandnertal wird auf kleinem Gebiet sehr viel geboten. Durch die touristische Infrastruktur gibt es besonders für Kinder viel zu erleben – von Klettern bis Skifahren, Tennis und Badeseen – das kommt natürlich auch den Einheimischen zugute“. Hannes hebt besonders das Persönliche, das Heimelige und das Dorfleben in Brand hervor: „Diese familiäre Atmosphäre erfahren auch die Gäste, wenn sie zu uns kommen“.
Hannes und seine Frau Susi führen zwei Betriebe in Brand - die Waldchalets Älmele und die Spezerei. „Das wo die Spezerei jetzt drinnen ist, war früher die Garage meines Schwiegervaters“, sagt Hannes. Beim genauen Hinsehen kann man das ehemalige Garagentor an der Front des Geschäfts erkennen. Besonders in der Spezerei verfolgt Hannes ein paar interessante Konzepte, in die er mir im Rahmen unseres Gesprächs Einblick gewährt.
Hannes legt viel Wert auf Regionalität, besonders die Walser und ihre Produkte und Traditionen haben es dem Südtiroler angetan. Die alemannische Volksgruppe kam vor etwa 750 Jahren vom Schweizer Kanton Wallis nach Vorarlberg und besiedelte dort vor allem entlegene Täler und hochgelegene Talstufen. Auch die Menschen aus dem Brandnertal sind Nachkommen der Walserwanderungen. In der Spezerei sind deshalb vor allem Produkte aus den Walsertälern zu finden. Die Regale durchstöbernd erblicke ich jedoch auch Südtiroler Weine und edle Tropfen vom Bodensee – doch was hat es damit auf sich? „Regional heißt nicht national!“, erklärt Hannes, „von etwa 200 km Luftlinie kamen die Walser damals nach Brand. Sie kamen über Pässe und Täler hierher – deshalb habe ich diesen Radius von 200 km übernommen, unabhängig von den Grenzen. Das nächste Weinanbaugebiet in Österreich ist 500 km entfernt – Wein vom Bodensee oder aus Südtirol ist regionaler!“.
Doch nicht nur sein Verständnis für Regionalität ist Konzept der Spezerei. In unserem Gespräch offenbart sich noch eine weitere, äußerst interessante Vorgehensweise von Hannes. Schaut man sich in der Spezerei um, dann bemerkt man, dass sich nur ein großer, langer Tisch in der Mitte des Raumes sowie ein kleinerer „Aussichtstisch“, wie ihn Hannes gerne bezeichnet, am Fenster befindet. „Die Gäste müssen zusammensitzen – das ist immer sehr interessant zu sehen. So kommen auch die Einheimischen aus Brand mit den Touristen ins Gespräch“. Hannes erzählt, dass etwa die Hälfte seiner Gäste Einheimische sind. Deshalb lässt er auch in der Zwischensaison offen. Am meisten gefällt Hannes der Kontakt mit seinen Gästen, die unterschiedlichen Geschichten, die sie mitbringen und ihre Erfahrungen im Brandnertal. „Manche kommen seit 30 Jahren hierher, andere besuchen uns das erste Mal“, sagt Hannes, „doch das Besondere ist, dass die Menschen, die nach Brand kommen eine lebende Dorfgemeinschaft suchen, welche wir hier auf jeden Fall zu bieten haben. Doch diese Gemeinschaft haben wir auch dem Tourismus zu verdanken. Hier wird etwas geboten – sowohl für Gäste als auch für die Menschen, die hier leben.“
Hannes bringt die Menschen zusammen – über Grenzen und Tischkanten hinweg.
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